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Summendes Bayreuth: Studenten im Einsatz für die Biodiversität

„Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist wie sie ist! Es wär nur deine Schuld, wenn sie so bleibt!“

Lauthals singen die „Summer“ in der kleinen gefliesten Küche mit, als der bekannte Ärzte-Song aus den Lautsprechern schallt, die auf einem Schränkchen stehen. Einige tanzen mit nacktem Oberkörper, es ist warm und stickig. Deine Schuld ist quasi das perfekte Lied für diese Party: Die Studenten feiern das erfolgreiche Volksbegehren für die Artenvielfalt in Bayern. Sie wollten die Schuld, dass die Welt sich nicht verändert nicht länger auf sich nehmen. Wochenlang haben sie Flyer verteilt, in der Februarkälte als Rathauslotsen in der Fußgängerzone gestanden, in Bienenkostümen Passanten angesprochen, um diese auf das Volksbegehren aufmerksam zu machen. Immer noch in orangefarbenen Warnwesten mit dem Aufdruck „Rettet die Bienen“ auf dem Rücken tanzen sie ausgelassen durch die Wohnung, in der die Feier stattfindet.

Glaub keinem, der dir sagt, dass du nichts verändern kannst.
Die, die das behaupten, haben nur vor Veränderung Angst.“

Am Mittwoch, 13. Februar 2019, ging die Abstimmung zu Ende und es stand fest: Es geht in die nächste Runde, die benötigten eine Million Unterschriften wurde bayernweit erreicht. Besser gesagt wurde sie sogar deutlich überschritten. Insgesamt haben mehr als 1,7 Millionen Menschen in Bayern in den Rathäusern dafür unterschrieben, dass sie einen Volksentscheid für die Artenvielfalt wollen. “Das Volksbegehren in Bayern setzt ein klares Zeichen, auch bei den jetzigen Verhandlungen in der EU-Agrarpolitik“, sagt Stefanie Propp, zweite Vorsitzende der Summer und Sprecherin des Aktionsbündnisses in Bayreuth für das Volksbegehren. „Ich war mir sicher, dass wir die 1 Mio. Unterschriften erreichen. Dass es jetzt über 18 % geworden sind, freut und bestätigt mich in unserem Engagement umso mehr!”

In der heißen Sommersonne gestalten die Summer einen Magerstandort in der Wilhelminenaue in Bayreuth. Foto: Summer in der City e.V.

Die „Summer“ haben in Bayreuth definitiv zum Erfolg des Begehrens beigetragen. Wer steckt hinter diesem Namen? 2018 haben einige Bayreuther Studierende den Verein Summer in der City gegründet, mit dem sie das Thema Artenvielfalt mehr in den Fokus der Öffentlichkeit rücken wollen. „Wir waren zu neunt und wollten etwas verändern“, sagt Thomas Pickel. Der 27-Jährige studiert Geoökologie an der Universität Bayreuth und ist einer der Gründer von Summer in der City. „Momentan haben wir 15 Mitglieder, die sich ganz aktiv beteiligen und mehrmals in der Woche etwas beitragen. Und sonst noch 30 bis 40, die auch oft mitmachen.“ Bisher finanziert sich der Verein komplett über Spenden und die Mitgliedsbeiträge. Zehn Euro im Jahr kostet es, wenn man ein Summer werden möchte. “Es ist super schön zu sehen, dass so viele Menschen aktiv den Naturschutz voran bringen wollen“, sagt Summerin Leonie Gass. „Es gibt mir neuen Schwung und neues Vertrauen, dass sich wirklich etwas verändern kann und die Bereitwilligkeit da ist!”

Anfangs waren es eher kleinere Projekte, bei denen die Summer ihr Fachwissen mit anderen Menschen teilen konnten. Sie sorgten unter anderem in Kooperation mit Green Campus und Christian Laforsch, Professor für Tierökologie an der Universität Bayreuth, dafür, dass auf dem Campus der Uni Bayreuth nur noch zweimal pro Jahr der Rasen gemäht wird. Dadurch gelangen viel mehr Pflanzen bis zum Blühstadium und bieten Insekten Nahrung und Lebensraum.

Die Summer basteln Insektenhotels, die neuen Lebensraum schaffen und überall in Bayreuth aufgestellt werden. Foto: Marie Löwe
Das Hämmern und Zusammennageln der Hotels ist nicht nur gut für die Insekten, sondern macht auch den Summern Spaß. Foto: Summer in der City e.V.

Zusätzlich zu den Blühflächen, die die Uni im vergangenen Jahr geschaffen hat, bauten die Studierenden Insektenhotels, die bald aufgestellt werden sollen. In der Wilhelminenaue, wo 2016 die Landesgartenschau in Bayreuth stattgefunden hat, haben die Summer auf der Fläche der Essbaren Stadt  einen Magerstandort geschaffen. Der soll den Insekten das Leben ebenfalls erleichtern. „Das war unser Steckenpferd im vergangenen Jahr“, sagt Stefanie Propp.

Sie wollten nicht länger zuschauen – stattdessen packen die Summer nun an allen Ecken an, damit das Thema Biodiversität zur Sprache kommt. Foto: Summer in der City e.V.

„Uns geht’s ums Aktivsein. Wir kennen das Problem, aber wir wollen uns nicht nur darüber aufregen, sondern wir packen es aktiv an“, sagt Thomas Pickel.

„Weil jeder, der die Welt nicht ändern will, ihr Todesurteil unterschreibt!“

Die Tatsache, dass der Großteil der Mitglieder der Summer bisher aus Studierenden bestehe ist Fluch und Segen zugleich. Segen, weil viele sich aufgrund ihrer Studiengänge gut mit dem Thema Artenvielfalt auskennen. Fluch, weil dadurch ein fliegender Wechsel entsteht. Deshalb wünschen sich die Summer, auch Menschen außerhalb der Universität mit einbinden zu können.

Damit das gelingt, wollen sie noch mehr in öffentlichen Räumen arbeiten. „Wir haben für dieses Jahr zwei große Leuchtturmprojekte geplant“, sagt Thomas Pickel. Erstens ein Naturgartenprojekt, bei dem die Summer auf 10.000 m2 in der Wilhelminenaue einen Naturgarten anlegen dürfen. Eine Crowdfunding-Kampagne soll den Garten finanzieren. „In dem Naturgarten soll es unter anderem einen Wildrosengarten und eine Streuobstwiese geben, die ebenfalls Insekten anziehen und anderen Tieren wie Igeln oder Eidechsen ein neues Zuhause bieten.“

Die Projekte des Vereins verlangen den Studenten ganze Arbeit ab. Foto: Summer in der City e.V.

Zweitens ist mit „Flanken Flowers“ das zweite Projekt für 2019 geplant. Dabei kooperieren die Summer mit regionalen Gärtnereien, um heimische Blühpflanzen und Sträucher zum Verkauf anzubieten. Das ist insofern von Bedeutung, dass einige Insekten auf spezielle Pflanzen angewiesen sind. „Wir hoffen, dass unser Naturgarten die Leute anregt, selbst so einen Garten bei sich zuhause anzulegen.“

Schlaflose Nächte, schmerzende Arme und Beine vom Bodenbeackern, die Menschen aufrütteln – das ist für die Summer oftmals Alltag. Doch es scheint sich zu lohnen: Die Tatsache, dass beinahe doppelt so viele Menschen das Volksbegehren unterschrieben haben wie benötigt, macht Mut. Es tut sich etwas. Es braucht nur jemanden, der den ersten Schritt geht. Wie die Summer.

Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist.
Es wär nur deine Schuld, wenn sie so bleibt!“

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