Bayreuther „Global Change Ecology“-Studierende auf der siebten Vollversammlung des UN-Weltbiodiversitätsrats:
„IPBES“ und der „Global Assessment Report“
„Auf dem Weg in die ökologische Insolvenz“ (spiegel-online), „Eine Million Arten vom Aussterben bedroht“ (tagesschau.de) und „Menschheit tilgt die Natur von der Erde“ (ZDFheute) sind drei von weiteren ähnlichen Überschriften, die am Montag, dem 06. Mai 2019, in den online-Medien plötzlich auftauchten. Die Schlagzeilen wurden von einer zuvor in Paris abgehaltenen Pressekonferenz ausgelöst, in der die Ergebnisse des sog. „Global Assessment Report[s] on Biodiversity and Ecosystem Services“ der Öffentlichkeit vorgestellt worden waren. Dieser Report war das Ergebnis einwöchiger Verhandlungen, die während der siebten Vollversammlung der „Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services“ (IPBES) stattgefunden hatten. IPBES, auch „Weltbiodiversitätsrat“ genannt, ist eine unabhängige zwischenstaatliche Organisation. Ihre Aufgabe ist es, politische Entscheidungsträger im Bereich der Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen wissenschaftlich zu beraten. In der Zusammenfassung des Global Assessment Reports beschreiben die Wissenschaftler den aktuellen globalen Zustand der Biodiversität. Um es mit einem Satz zusammenzufassen: Der Verlust der Biodiversität schreitet in einem beunruhigend schnellen Tempo voran.
Der Report ist das Ergebnis eines mehrjährigen Prozesses: Laut IPBES arbeiteten 150 Experten aus 50 Ländern drei Jahre lang an der Erstellung des Berichts. Dieser ist der erste jemals erschienene zwischenstaatliche Bericht über den globalen Zustand der Natur, der Ökosysteme und ihrer Dienstleistungen für den Menschen. Der eigentliche Hauptbericht umfasst mehr als 1.000 Seiten, wurde jedoch für die politischen Entscheidungsträger auf die Kernaussagen zusammengefasst. Damit der Bericht offiziell anerkannt werden kann, musste dieser zuvor von den damals 132 IPBES-Mitgliedsstaaten genehmigt werden. Die Verabschiedung des Reports war das Hauptthema der siebten IPBES-Vollversammlung („IPBES 7“), die vom 29. April bis zum 4. Mai 2019 im UNESCO-Hauptquartier in Paris stattfand.
„IPBES 7“ und die Bayreuther „Global Change Ecology“-Studierenden
Der internationale Bayreuther Elite-Masterstudiengang „Global Change Ecology“ (GCE) beschäftigt sich mit den globalen Umweltveränderungen des 21. Jahrhunderts, wie dem Verlust der Biodiversität. Da der Studiengang einen Beobachterstatus für IPBES besitzt, machten sich ca. 30 GCE-Studierende als „Beobachter“ auf den Weg nach Paris. Für einige Studierende war es die erste Teilnahme an einer internationalen Vollversammlung. Entsprechend groß war bei manchen die Überraschung und zugleich Frustration über den teilweise quälend langsamen Fortschritt während der Verhandlungen: Jeder einzelne Satz der Zusammenfassung des Global Assessment Reports musste von allen anwesenden Mitgliedsstaaten akzeptiert werden. In der Praxis bedeutete dies, dass die Verhandlungen um die Formulierungen mancher Sätze und Abschnitte stundenlang dauerten. Je weiter man hinter den Zeitplan zurück fiel, desto besorgter und energischer wurde der leitende Vorsitzende und desto länger zogen sich die Verhandlungsrunden bis in die Nacht hinein, was an den Gesichtern einiger Delegationsmitglieder nicht spurlos vorbei ging. Wäre der Global Assessment Report von der Vollversammlung nicht angenommen worden, hätte dies einen großen Rückschlag für alle involvierten Wissenschaftler und Akteure, für IPBES und vor allem für den Schutz der Biodiversität bedeutet.
Es war ermutigend zu sehen, mit welchem Engagement sich die Menschen, die für IPBES arbeiteten, für einen Erfolg einsetzten. Zudem waren neben uns Bayreuthern viele weitere Beobachter anwesend, wie z.B. Vertreter indigener Einwohner oder NGOs, die sich wie wir einen erfolgreichen Ausgang der Verhandlungen wünschten. „Ich konnte spüren, dass es viele Menschen auf der Welt gibt, die wie wir sind. Nur sind wir die meiste Zeit über voneinander getrennt“, erzählt Ana Leticia Vital, „Global Change Ecology“-Studierende aus Brasilien. „Mit anderen Worten: Ich merkte, wir sind nicht alleine mit unseren Sorgen um den Schutz der Biodiversität.“ Aanu Samuel Busari, GCE-Studierender aus Nigeria, war von der “globalen Expertise” begeistert, aus welcher der Global Assessment Report heraus entstand. Am meisten beeindruckte ihn „die unglaubliche Menge an menschlicher und kulturelle Intelligenz, welche in die Erstellung dieses globalen, wissenschaftlich und politisch anerkannten Dokuments floss.“ Als Beobachter befanden sich die GCE-Studierenden während den Verhandlungen auf der Zuschauertribüne, in der Eingangshalle des UNESCO-Hauptquartiers vermischte sich aber die ganze Welt: Delegationsmitglieder aus den verschiedensten Ländern, Wissenschaftler, Indigene, Naturschützer, Wirtschaftsvertreter und zwischendrin die Bayreuther Studierenden. In den ersten Tagen war noch vieles aufregend und neu, nach und nach wurden die Abläufe aber immer vertrauter.
Am letzten Tag konnte der Global Assessment Report in seiner Gesamtheit zum Glück doch noch von allen Delegationen angenommen werden. Unter tosendem Applaus fiel die ganze Anspannung der letzten Tage von den Teilnehmern ab und aller Frust und die Müdigkeit waren plötzlich verschwunden. Was bleibt?
Zum einen ein umfassender, alarmierender Report, der nun international anerkannt ist. Zwar zieht dieser keine direkten politischen Konsequenzen nach sich, erhöht aber den Druck auf die politischen Entscheidungsträger, die derzeit den neuen globalen Rahmen für die biologische Vielfalt verhandeln, welcher 2020 beschlossen werden soll. Donald Mwaba, GCE-Studierender aus Sambia sagt dazu: „Die Wissenschaft ist zu den derzeit stattfindenden globalen Umweltveränderungen sehr eindeutig. Unklar bleibt, ob die Regierungen und Menschen die notwendigen Maßnahmen ergreifen werden, um sich diesen Veränderungen entgegenzusetzen.“
Zum anderen bleibt die Erkenntnis, dass wenn der Wille da ist, vieles möglich ist. Der Global Assessment Report ist Warnung und Hoffnung zugleich: Die Ergebnisse sind alarmierend, seine Entstehung aber das Resultat globaler Zusammenarbeit unzähliger engagierter Menschen aus den verschiedensten Bereichen. Wenn diese Energie nicht nur für die Bestandsaufnahme der aktuellen Probleme aufgebracht wird, sondern auch für die Sicherstellung einer lebensfreundlichen Zukunft, besteht trotz pessimistischer Schlagzeilen wie den anfangs erwähnten noch Hoffnung. Auch Ana findet: „Irgendwie hat IPBES 7 meine Hoffnung für unsere Zukunft erneuert“ und Aanu erinnert daran: „Die Politik mag uns voneinander trennen, dass wir zu allererst aber Menschen sind, sollte uns vereinen.“
I studied the bachelor´s programme "Landscape Ecology and Nature Conservation international" in Greifswald and continued to study the master´s programme "Global Change Ecology" in Bayreuth from 2018 to 2021.
My main interest is in biodiversity and environmental policy.